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Danke für die Überlassung des Quelltextes.

(Aus Online-Today, Heft 6/2001, ohne Bilder)

DAS PHANTOM VON MALLORCA

Der Mann weiß, wie man Leute lockt: Hermann Josef  O. (58), Geschäftsführer der Firma Inter2001 Mallorca S.L., tingelte auch schon als Kartenleger und Show-Hypnotiseur durch deutsche Lande. Jetzt ist er mit seinen Internet-Projekten ins Gerede gekommen. Allein bei City-In geht es um rund hundert Geschäftsgründer; sie rechnen mit einem Schaden von mindestens 750000 Mark. Inter2001 versprach, mit City-In  ein Städte-Portal zu bauen, in 350 Orten, mit lokalen Partnern, die sich um regionale Vermarktung und Inhalte kümmern: Termine, Adressen von Vereinen, Firmen etc. Start: April 2000. Beteiligte erinnern sich an hehre Ankündigungen: Das größte Städte-Info-Angebot aller Zeiten solle Millionen Nutzer locken und enorme Einnahmen durch Werbebanner bringen. Und einen durchschnittlichen Monatsumsatz von mindestens 10000 DM für jeden Partner.

Traum vom Geschäftsglück

Etwa hundert Leute zahlten die 5000 Mark Einstandsgebühr und verpflichteten sich, monatlich 1083 Mark zu überweisen. Mittendrin Kaufmann Hardy Grimm. Er träumt von einem zweiten beruflichen Standbein, sammelt mit seiner Frau Ellen im Raum Duisburg fleißig Material für die Inter2001-Datenbank. Doch mit anderen Städten geht es nicht voran. Im März 2000 gibt O. ein neues Geschäftsziel vor: »Die wichtigste Aufgabe ist jetzt, neue Partner anzuwerben!« Sein Versprechen: für jeden neuen Lizenznehmer eine Prämie von 1800 Mark. Als O. auch noch den Starttermin von April auf Mai verlegt, machen Gerüchte über Abzockerei die Runde. Der Geschäftsführer reagiert ­ und lädt 30 Partner nach Mallorca ein. Im Hotel verkündet er am 3. März 2000, dass City-In bald das europaweit führende Städte-Portal sei: »Schreiben Sie mit mir ein bisschen Internet-Geschichte!« Versprochen wurde auch eine große Werbekampagne mit Fernsehspots und Anzeigen in den wichtigsten Zeitschriften. Sagen die Ex-Partner und verweisen u. a. auf eine eindeutig formulierte Mail von Inter2001. Geschäftsführer O. hält in einem Brief an die Staatsanwaltschaft Duisburg dagegen: »Zu Werbung in Form von TV-Spots waren wir nie verpflichtet.«

Streit um die Werbung

Aus seiner Sicht haben die Ex-Mitarbeiter ihre Verpflichtungen nicht erfüllt: Zum geplanten Starttermin seien nur Infoseiten für acht Städte komplett gewesen, 21 nicht fertig, der Rest »mehr als mangelhaft«. Und der Inter-2001-Projektleiter schreibt: »Sie alle werden sicherlich verstehen, dass wir weder einen mehrere hunderttausend Mark hohen Werbeetat noch sonstige aufwendige Aktivitäten für die traurige Zahl von acht fertigen City-Ins einsetzen.« Es folgen wütende Wort- und Mailwechsel. Anwälte haben das Wort. Zwei Ex-Partner reisen mit einem Fernsehteam des Südwestrundfunks im Herbst 2000 zu Inter2001 (www.swr.de/saldo). Die TV-Kollegen erreichen niemanden. Das Ehepaar Grimm bleibt auf den bezahlten Gebühren sitzen. In Hamburg erstattet Harald Roesner Anzeige gegen Inter- 2001. Er hatte rund 40000 Mark bezahlt, »aber mit City-In hat keiner Geld verdient, außer O. und Co.«. Mitte Mai 2001, ein Dreivierteljahr später, bearbeitet die Polizei diese Anzeige. Job Tilmann, Staatsanwalt beim zuständigen Landgericht Frankfurt, betont, es handle sich in diesem Fall vorrangig nicht um eine strafrechtliche Angelegenheit. Zuerst müssten die Anschuldigungen gegen Inter2001 bzw. deren Geschäftsführer vor einem Zivilgericht geklärt werden. Vorerst ruhe das Verfahren im Wesentlichen aus diesem Grund und nicht, weil der Beschuldigte auf Mallorca wohne oder weil der Betrugsverdacht ausgeräumt sei. Erneute Ermittlungen kann es übrigens geben, wenn  neue Anzeigen vorliegen. Inzwischen organisieren die Ex-Partner ihren Protest im Web (www.intergrimm.de, www.indiecity.de): Sie geben Erfahrungen weiter, fahnden nach neuen Aktionen des Herrn O.

Ein Kollege packt aus

Wer ist dieser Mann, der einst unter dem Künstlernamen Andy Weiders sein Geld verdient hat? 1990 trat der heute 58-jährige Familienvater in Süddeutschland als Show-Hypnotiseur und Kartenleger auf. Ein Bekannter, aus Angst vor Drohungen darauf bedacht, anonym zu bleiben, sagt: »Der war ein blumiger, aber brillanter Redner«, konnte die Zuhörer in seinen Bann ziehen. »Wenn der dir erzählt hat, dass der Schnee rot ist, dann hast du das geglaubt.« Seit 1991 lebt Weiders als O. auf Mallorca, gründet 1999 den Fußballclub FC Topline Mallorca, der nach fünf Monaten pleite ist. Wir wollen mit O. reden, uns seine Firma ansehen. Doch seine Telefone in Palma sind seit Wochen stumm. Am 7. Mai 2001 fliegt unsere Kollegin Pascale Solheid nach Mallorca. Sie berichtet: »Die Firma liegt fünf Minuten vom Flughafen entfernt, in einem Viertel, in das sich kaum ein Tourist verirrt. Ein etwas heruntergekommenes Haus mit drei Etagen. Auf dem Klingelschild steht mit Filzstift: 2001. Ich klingle, gehe hinein, als der Summer ertönt. In der ersten Etage begegnet mir eine Frau. Sie spricht mit fränkischem Akzent: "Ich räum hier auf."

Besuch bei O.

Das Büro ist fast leer. An der Wand lehnt eine Leiter. Angeblich gab es gerade Inventur. Zu Inter2001 sagt sie: "Alles intern." Sie verweist an Herrn Majewski, schreibt seine Telefonnummer auf eine Visitenkarte: "Fragen Sie den, er ist der Projektleiter." Am Telefon meldet sich tatsächlich Udo Majewski. Der gelernte Elektriker tut schwer beschäftigt: "Die ganze Woche schon voll, die nächste auch. Entschuldigen Sie bitte, ich kann Ihnen leider keinen Termin geben. Überhaupt: Um City-In kümmert sich jetzt die Firma PW-Beratungsgesellschaft in Hamburg. Die E-Mail-Adresse finden Sie auf der Website. Auf Wiederhören!." Peter W. ist nach eigenen Angaben mit seiner Hamburger Ein-Mann-Firma PW-Betriebsberatung bei City-In »für Deutschland zuständig«. Er habe sich eingekauft und suche nun neue Lizenznehmer, die für fünf Jahre 10000 Mark zahlen. W. verdient sein Geld bislang mit Büro-Organisation und Altbausanierung. Jetzt zeichnet er für 43 von 123 City-Ins verantwortlich und verspricht: »Im nächsten Monat sind einige Anzeigen geplant.«

Die Bilanz

Selbst wenn das System O. juristisch nicht den Tatbestand des Betrugs erfüllen sollte: Grundsätzlich bleibt die Frage, wie jemand Geld verdienen soll mit 08/15-Sites, die für alle Städte einheitlich ohne Lokalkolorit gestaltet sind. Inter2001 setzt auf Werbebanner. Selbst große und seriöse Portal-Anbieter wie Yahoo haben Mühe, sich mit Werbung zu finanzieren. Ob die Inter2001-Projekte als Franchise-Systeme taugen, ist fragwürdig. Wirtschaftsjournalist und Franchise-Berater Knut S. Pauli hat eine umfassende Check- liste für Franchise-Interessenten geschrieben (www.advisa-gruppe. de). Denn die Gefahr des Betrugs sei in dieser Branche hoch. Seriöses Franchise biete ein umfassendes Unterstützungspaket für ein markterprobtes Konzept. Interessenten sollten Geschäftsplan und Lizenzgeber intensiv prüfen, Lizenzpartner befragen. Intern2001 macht indessen weiter; es gibt reihenweise Ableger, u. a. Themen-Fux , European Internet Business Center und eine Anwaltsuchmaschine namens Justicia. Da werden sich die Anwälte freuen.    

(Interview mit uns)

"Zunächst sah alles ganz solide aus"

Warum sind Sie "Partner" von Inter2001 geworden ?

Zunächst sah alles ganz solide aus. Und die Idee, eine Lizenz für ein Städte-Portal zu übernehmen, ist doch gut. Um allerdings Geld zu verdienen, muss die Internet-Adresse beworben werden. Das Ergebnis war jedoch miserabel. Die Inter2001 sprach von einem Werbeetat von mehreren hunderttausend Mark. Bis zum Starttermin im April 2000 wurden die zugesagten Werbemaßnahmen nicht getätigt. Mit einem Vierteljahr Verzögerung wurden drei Anzeigen in kleinen Zeitschriften geschaltet, ein nichtssagender Werbespot lief kurze Zeit auf einem Fernsehkanal. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch schon einige Lizenznehmer ausgestiegen oder auch durch die Inter2001 gekündigt worden, weil sie die Lizenzgebühren nicht mehr bezahlen konnten oder wollten.

Und Sie haben sich das ohne nachzufragen gefallen lassen ?

Natürlich habe ich Mails geschickt und versucht, jemanden ans Telefon zu bekommen. Aber wenn jemand den Hörer abnahm, kamen nur weitere Lügen.

Lügen welcher Art ?

Da wurde von technischen Problemen gesprochen, von einer zwei Tonnen schweren Parabolantenne, die angeblich auf dem Bürogebäude installiert wurde. Natürlich hat`s die Antenne nie gegeben. Weiterhin kündigte der Geschäftsführer an, eine Medienagentur wäre mit der Pressearbeit beauftragt. Stattdessen wurden die Lizenznehmer aufgefordert, einen vorgefertigten Pressetext an alle regionalen Medien zu versenden.

Das haben Sie hingenommen ?

Habe ich nicht. O. hat immer beteuert, dass man jederzeit aussteigen könne und die Lizenzgebühren zurückerhalte. Da wir rund 300 Stunden Arbeitszeit investiert haben, haben wir noch bis Juli weitergemacht.

Wie hoch ist der Gesamtschaden ?

Rund 30.000 Mark, rechnet man die Arbeitszeit und Online-Kosten zu den 7708,33 Mark Lizenzgebühren. Meiner Meinung nach handelt es sich bei der ganzen Sache um groß angelegten Betrug.